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Viertes Kapitel
Die asketischen Neigungen Ottos III. in ihrem Verhältnis zur Politik und zu seiner Persönlichkeit

Wie in der Einleitung bereits gesagt wurde, soll man das Verhältnis von Mensch und Zeit nicht am Anfang, sondern am Ende behandeln, weil man die ‘kollektive’ Bedingtheit der Individuen umschreiben muss, bevor man ihre Individualität rekonstruieren kann. Demgemäss haben wir uns in dem Hauptkapitel dieses Buches nicht mit der Persönlichkeit Ottos III., sondern mit seiner Politik, d.h. mit den öffentlichen Ergebnissen seiner Regierung, beschäftigt. Wir haben nachzuweisen versucht, dass diese Politik nicht eine individuelle Eigentümlichkeit, sondern ein aus grossen Traditionen geborenes und von einem zielbewussten politischen Kreise getragenes Phänomen gewesen ist. Eine voreilige Trennung zwischen den Staatsmännern dieses Kreises und dem Kaiser selbst, wie Bloch sie in Bezug auf Leo von Vercelli vornahm, musste dabei abgewiesen werden585; wir haben bisher dahingestellt sein lassen, inwiefern Otto III. sich von seinen Mitarbeitern unterscheidet, ob er bloss als Spielzeug einer politischen Gruppe oder als eine selbständige Figur fungiert hat. Das Problem seiner Persönlichkeit also fordert jetzt noch eine Auseinandersetzung; und dabei wird es sich hier hauptsächlich um die asketischen Symptome handeln, die man gewöhnlich ohne weiteres als Anormalitäten des Affektlebens einer nüchternen, staatsmännischen Klugheit gegenüberstellt. So meint auch Bloch, Leo von Vercelli, dem Politiker, sei sowohl die Askese wie der ‘Cäsarismus’ Ottos III. völlig fremd gewesen, und er fügt hinzu: ‘Die gleiche Abkehr von den irdischen Dingen war dem “asketischen” und “cäsaristischen” Ideal Ottos III. eigentümlich’586. Wie wir schon im vorhergehenden Kapitel konstatierten, trifft diese Bemerkung auf den ‘Cäsarismus’ des Kaisers nicht zu; wir werden jetzt ihre Richtigkeit hinsichtlich der Askese kontrollieren.

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Die Askese als Form des emotionalen Lebens gehört, wie man Zöckler einräumen kann, ‘zu den zwar vielfach variierenden, aber doch niemals völlig verschwindenden Geschichtsfaktoren; sie zählt in gewissem Sinne zu den beständigen Grössen der Menschheitsgeschichte’587. Nach der Einteilung von Richard Müller Freienfels ist sie wohl eines der repräsentativsten Symptome des ‘herabgesetzten Ichgefühls’588, sodass ‘alles auf das Ich Bezogene gedrückt, alles ihm Übergeordnete bis ins Unwahrscheinliche gesteigert wird’589. Die ἄσϰησις erscheint als aktives Symbol der συνείδησις; durch eine bald innerliche, bald äusserliche Aktivität sucht das Individuum sein religiöses Inferioritätsbewusstsein auszutilgen und in dieser Weise gewissermassen die Kluft zwischen Gott und der sündigen Kreatur zu überbrücken. Ist die Askese also ein Merkmal des depressiven Menschentypus, so ist sie doch zugleich eine Trieberfüllung, eine schroffe und aggressive Form der Selbstbehauptung; und als solche neigt sie fortwährend zum Gegenteil ihres Ursprunges, zum gehobenen Ichgefühl, hin. Karl Jaspers formuliert das besonders klar in seiner Psychologie der Weltanschauungen: ‘Das Reale und das Endgültige der Selbstverstümmelung, das unbedingt und wirklich Weltablehnung ist, gibt in der stärksten Aktivität ein Sinnerleben in der Herrschaft über das empirische Dasein. Was sonst als Schicksal und Leid kam und getragen werden musste, kommt jetzt als Resultat des eigenen Willens. Was anderen notwendig und von aussen kommt, das wird jetzt freier Wille des Asketen selbst’590. Der Asket ist ein Individuum, das sich seiner Sündigkeit bewusst ist, sich aber gleichzeitig im asketischen Akt über die Passivität erhebt und ‘Herrscher’ wird; die Askese überhaupt ist nicht einfach eine ‘Abkehr von den irdischen Dingen’, denn trotz ihrer negativen Gesinnung den irdischen Gütern gegenüber, wird die Beherrschung der Sinnenwelt ihr zum positiven Selbstzweck.

Diese Voraussetzung ist wichtig, wenn man das asketische Ideal mit dem Ideal des frommen christlichen Herrschers im Mittelalter vergleicht. Dieses Ideal verhält sich ja sowohl zum ‘Cäsarismus’ wie zur ‘Askese’ entschieden positiv591. Nachdem Augustin die Eigenschaften des frommen Herrscherty-

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pus umschrieben hat, behauptet er, sie seien nur dann ‘glücklich’, ‘si haec omnia faciunt non propter ardorem inanis gloriae sed propter charitatem felicitatis aeternae, si pro peccatis humilitatis et miserationis et orationis sacrificium Deo suo vero immolare non negligunt’592. Diese Definition hängt zusammen mit seiner Auffassung von dem relativen Wert der irdischen Güter, welche der Mensch nur im Dienst Gottes geniessen soll; der mittelalterliche Herrscher, dessen Gewalt aus dem Königtum Christi abgeleitet wird, hat demnach eine von Gott auferlegte Pflicht zu erfüllen, ist in der Ausübung seines Amtes einer transzendentalen Obrigkeit verantwortlich. So ist er nicht unbedingt dem modernen wetlichen Herrscher gleichzusetzen; seine Autorität entnimmt er seiner Stellung im Staat Gottes, und diese Stellung ist im Urteil der Zeitgenossen wieder abhängig von seinen Regierungsmethoden. Pseudo-Cyprian verzeichnet als Eigenschaften des ‘rex justus’, neben seinen ‘staatlichen’ Verpfichtungen: ‘magorum et hariolorum et pythonissarum superstitionibus non intendere’, ‘per omnia in Deo confidere’, ‘certis horis orationibus insistere’, ‘ante horas congruas non gustare cibum’593. Das Ideal des rex justus, wie es die öffentliche Meinung bedingt, hat also zwei Seiten: die Herrschaft über die Welt und die Selbstbeherrschung; beide sind aber Disziplinen im Dienst einer transzendentalen Idee. Wir haben oben S. 438 f. schon bemerkt, dass beide Seiten mehr oder weniger betont werden können, und dass Herrscher wie Otto III. und Heinrich II. in der historischen Tradition dem Heiligenideal nahe kommen. Wie aber die Verhältnisse auch sein mögen, im Prinzip muss jedes Königsbild, das die Bezeichnung ‘rex justus’ oder ‘imperator felix’ beansprucht, nicht nur die Herrschaft über die Welt, sondern auch die Herrschaft über die eigene Persönlichkeit besitzen; die irdischen Güter werfen nur dann Früchte ab, wenn sie in Selbstzucht verwendet werden.

Hieraus geht schon hervor, dass von ‘Cäsarismus’ und ‘Askese’ nur im abstrahierenden Urteil des späteren Historikers die Rede sein kann; es ist dann aber sehr fraglich, ob man mit diesen abstrakten Begriffen eine Realität andeuten darf, in der Cäsarismus und Askese einander in eigentüm-

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licher Weise durchdringen. Für das Urteil der Zeitgenossen gibt es ja weder einen ‘cäsaristischen’ Otto noch einen ‘asketischen’ Otto, sondern nur einen ‘rex iniquus’ gegenüber einem ‘rex justus’. Die Zeitgenossen kennen die Kriterien ‘Cäsarismus’ und ‘Askese’ nicht; sie kennen nur die Verlockungen des Teufels, die Otto in seiner Beschäftigung mit ‘weltlichen’ Angelegenheiten von dem rechten Wege abführen; und die ‘Askese’ preisen sie nur als eine Eigenschaft der Gotteskinder. Für sie ist das Königsideal überhaupt undenkbar ohne das Prinzip, das auch der extremen Askese zu Grunde liegt: die Dienstbarkeit der irdischen Güter, die nur in verschiedenem Grade Gott dienstbar gemacht, in verschiedenem Sinne beherrscht werden.

Will man also die Begriffe ‘Cäsarismus’ und ‘Askese’ für die Politik und die Persönlichkeit Ottos III. verwenden, so hat man sie lediglich als psychologische Hilfsmittel zu verstehen und von einer historischen ‘Realität’ abzusehen; psychologisch lässt sich allerdings behaupten, obgleich damit u.E. noch wenig gesagt ist, dass Otto cäsaristische und asketische Neigungen hatte. Man darf dann nur nicht übersehen, dass die ganze Zeit, d.h. die ‘öffentliche Meinung’, die Normalanschauung, keinen anderen ‘weltlichen’ Königstypus kannte als einen teilweise ‘cäsaristischen’, teilweise ‘asketischen’; dass also im Verhältnis von Individuum und Milieu, von Beurteiltem und zeitgenössischem Urteil diese Kriterien nicht im antithetischen Sinne bestehen. Die Realität des Ecclesiabegriffes bringt es mit sich, dass der wahre Imperator universalen (‘cäsaristischen’) Tendenzen nachstrebt; die Realität des transzendentalen Gottesglaubens bringt es mit sich, dass sein Leben sich gleichfalls durch die Beobachtung der christlichen Tugenden der Frömmigkeit und der Enthaltsamkeit auszuzeichnen hat. Die Grenzen des Normalen haben sich hier im Laufe der Jahrhunderte beträchtlich verschoben.

Jedenfalls ist es unrichtig, die Bezeichnungen ‘Cäsarismus’ und ‘Askese’ als einfache Gegensätze, denen nur ‘eine gleiche Abkehr von den irdischen Dingen’ eigentümlich war, zu gebrauchen. Historisch betrachtet, haben beide in der Lehre von dem relativen Wert der irdischen Güter und folglich im

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normalen Herrschertypus einen gemeinschaftlichen Punkt; psychologisch betrachtet, berühren sich die scheinbaren Antithesen im Genuss des ‘Herrschens’ überhaupt, finden also in dieser Funktion eine gemeinschaftliche Positivität. Wenn wir also Otto III. als ‘asketischen’ Typus darstellen, glauben wir als feststehend voraussetzen zu dürfen, dass die mittelalterliche Askese ihrem Ursprung nach auch dem mittelalterlichen Königsideal innewohnt, dass man von einem ‘depressiven’ Herrschertypus sprechen kann, der sich schon durch seine Beziehungen zum Jenseitsgedanken dem rein asketischen Typus in manchen Hinsichten anschliesst.

Die ältere Auffassung von der Persönlichkeit Ottos III. lässt sich in die Worte Sackurs zusammenfassen:

‘Zwischen dem Einfluss Silvesters und dem eines Romuald, Adalbert und Nilus, stand der jugendliche Kaiser: das Ideal des alten römischen Staatswesens, das Ideal christlicher Weltentsagung, die entgegengesetzten Weltanschauungen zweier Kulturepochen, kämpften um seinen Besitz und rissen ihn von törichter Überhebung irdischer Grösse zur Selbstvernichtung und von der Negation menschlicher Triebe zur Selbstvergötterung römischer Cäsaren’594. Erstens ist diese Formulierung schon mit der obigen schwerlich zu vereinigen; zweitens aber ist die hier von Gerbert gegebene Vorstellung unhaltbar und es wird dadurch ein falscher Gegensatz eingeführt. Nach Sackur war er ‘der erste vom Schlage der Rienzi, die ihre Ideale nicht kirchlichen Anschauungen, sondern der antiken Literatur entnahmen’595. Unsere Analyse seiner Briefe bewies aber das Gegenteil596; auch die Anschauungen dieses ‘Diplomaten’ fügen sich dem begrifflichen Schema der Zeit. Ausserdem ist keine einzige Andeutung überliefert worden, dass Gerbert sich den asketischen Neigungen seines Schülers widersetzt habe; wohl aber korrespondierte er fortwährend mit den führenden Männern der kluniacensischen Reformpartei597. Auch Gerbert ist in seinem programmatischen Versuch, die Union mit Byzanz unter okzidentaler Hegemonie herbeizuführen, gänzlich ein Kind seiner Zeit, wenn er auch selbstverständlich der extremen Askese eines Romuald durchaus fernsteht. Für ihn gilt das Ideal des römischen ‘im-

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perator felix’, der mit dem Papst an der Vervollkommnung der universalen ecclesia zusammenarbeitet. Zu diesem Ideal gehört aber untrennbar auch die ‘christliche Weltentsagung’598, welche die Askese im eigentlichen Sinne, nicht der Form sondern dem Grundgedanken nach, mit dem Imperium gemein hat. Es ist also besonders darauf hinzuweisen, dass Gerbert-Silvester nicht eine ‘entgegengesetzte Kulturepoche’ vertritt; die ‘augustinische’ Diplomatie setzt wie das Einsiedlertum den relativen Wert der irdischen Güter voraus; nur sind die Folgerungen, die beide daraus ziehen, verschieden.

Im Zusammenhang mit der unrichtigen Beurteilung Gerberts ist die Meinung Sackurs, speziell Romuald, Adalbert und Nilus hätten gegenüber der ‘weltlichen’ Politik Silvesters das Idealchristlicher ‘Weltentsagung’ gepredigt, abzulehnen. Es handelt sich hier nicht um Weltentsagung gegenüber Weltbejahung, sondern wie wir nachweisen wollen, um das Mass, um die Form der Weltentsagung; Weltbejahung in unserem Sinne wäre eine Häresie gewesen, welche die Quellen als eine teuflische Perversität brandmarken würden. Daher ist eine Grenze zwischen Ottos ‘cäsaristischen’ und ‘asketischen’ Neigungen schon chronologisch nicht anzugeben; immer laufen seine Beziehungen zur ‘römischen’ Politik und zu den Vertretern der extremen Askese nahezu parallell. Diese innige Verbindung politischer und asketischer Elemente lässt sich teilweise schon aus den im dritten Kapitel dargelegten Verhältnissen herleiten und ist nicht bloss der zufälligen Persönlichkeit Ottos III. zuzuschreiben; die Reichspolitik verleugnet ja ihre konstante Richtung nicht, da alle Quellen die Anwesenheit der Asketen in der Umgebung des Kaisers als eine selbstverständliche Sache betrachten. Kaisertum und Askese waren noch nicht auseinandergewachsen; ihr gemeinschaftlicher Boden ist noch erkennbar.

Eine ‘cäsaristisch-asketische’ Situation findet sich zum ersten Male bei dem lebhaften Verkehr zwischen Otto und Adalbert von Prag, einer der merkwürdigsten Figuren aus dem Kreis der italienischen Askese. Den böhmischen Heiligen, dessen Schicksal hauptsächlich durch einen Vergleich der Vi-

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ten von Johannes Canaparius und Brun von Querfurt599 ziemlich gut rekonstruiert werden kann, findet man nach einer unsteten Laufbahn, die ihn einerseits mit der italienischen Askese in engste Berührung gebracht, andererseits schon als Bischof von Prag mit vielen Enttäuschungen überhäuft hatte, im Sept. 996 am Hofe Ottos III.600, wo der spätere Leo von Vercelli als ‘episcopus palacii’ seine Träume interpretierte601. In demselben Jahre hatte Otto während seines Aufenthaltes in Rom die Bekanntschaft Adalberts gemacht602: dieser Aufenthalt hatte aber nicht lange gedauert, weil Otto bald darauf wieder nach Deutschland ziehen musste; als Willigis von Mainz darauf bestand, dass er nach seinem Sprengel zurückkehrte, musste Adalbert das mönchische Leben im Alexiuskloster, das er statt seines Episkopates gewählt hatte, aufgeben und Rom verlassen603.

In Mainz verkehrten Kaiser und Asket als Freunde miteinander. Adalbert weilte sogar im Schlafgemach Ottos, damit er sich ungestört mit seinem Gastgeber unterhalten könnte, schrak aber ebensowenig vor der niedrigsten Arbeit zurück604. Bezeichnend ist, was Canaparius über diesen intimen Umgang berichtet: ‘ ... (Adalbertus) nocte pariter ac die velut dulcissimus cubicularius imperiali camerae adhaesit. Hoc autem non sic, velut saeculi aliquo amore captus, sed quia dilexit ipsum, et dulcibus dictis ad amorem coelestis patriae accendere voluit’. Adalbert ermahnte Otto, ‘ne magnum putaret se imperatorem esse; cogitaret se hominem moriturum, cinerem ex pulcherrimo, putredinem et vermium escam esse futurum’; zu einem richtigen Lebenswandel empfahl er ihm ‘praesentis vitae bona despicere, aeternitatis electionem desiderare, mansura quaerere, in rebus temporalibus et transitoriis fiduciam non habere’605.

Aus dieser Beschreibung der merkwürdigen Beziehungen zwischen den beiden Männern bei Canaparius wird ersichtlich, wie und wo die Askese des Mönches und des Einsiedlers sich mit dem allgemeinen ‘depressiven’ Gehalt des Kaisertums verbindet. Adalbert drängt während seines Umgangs mit Otto ja nicht darauf, dass dieser der ‘Welt’ absagen soll; über die verschiedenen Grade der Askese, über die asketische

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Betätigung innerhalb oder ausserhalb der ‘Welt’ wird offenbar nicht einmal gesprochen. Die Vita setzt voraus, dass sich der Leser des allgemeinen Wesens der Askese, die sowohl den Hof des christlichen Imperators, wie die Einsamkeit des Eremiten durchdringt, bewusst ist. Die Ermahnungen, welche Canaparius Adalbert aussprechen lässt, passen genau zu der Auffassung, welche der Autor vom ‘römischen’ Imperium hat606; es sind die im Mittelalter üblichen Warnungen vor dem Genuss der irdischen Güter als Selbstzweck, vor der unchristlichen Überschätzung des äusseren Scheines, die dem Teufel Macht über die Seelen gewährt. Otto möge nur nicht stolz auf seine Würde sein, denn auch er sei bloss ein sterblicher Mensch; er habe sich zu bemühen, lediglich den Ewigkeitsgehalt des Irdischen zu suchen (‘mansura quaerere, in rebus temporalibus et transitoriis fiduciam non habere’) und die ‘Welt’ als Selbstzweck zu verschmähen (‘praesentis vitae bona despicere’). Es liegt hier die typisch augustinische Anschauung von dem christlichen Herrscher vor, der die irdische Herrschaft nur als Vorstufe zum himmlischen ‘regnum’ betrachtet. Der (relative) Gegensatz zwischen ‘vita activa’ und ‘vita contemplativa’ wird in diesem Zusammenhang gänzlich unberücksichtigt gelassen. Es ist symbolisch, dass der Asket am kaiserlichen Hofe verkehrt. Er sieht seine Aufgabe gar nicht in einer ‘Entthronung’ des Kaisers, sondern nur in einer möglichst innigen Verquickung ‘weltlicher’ Herrschaft und christlicher Gesinnung. Dass Mönchtum, einsiedlerisches Leben und Martyrium die höchsten Stufen der asketischen Vervollkommnung bilden, verhindert nicht, dass auch der Imperator seinen schwierigen Beruf hat, da er in unausgesetztem Kampf mit den Verführungen des irdischen Lebens die Güter dieser Welt verwalten muss. Diesen Beruf durch seinen persönlichen Einfluss zu stärken, das Kaisertum vor der heidnischen Überschätzung der ‘Welt’ zu behüten, beabsichtigte der Aufenthalt Adalberts in Mainz607.

Die Verbindung von Hof und Askese, die merkwürdige Erscheinung des ‘Hofasketen’ Adalbert von Prag, zeugen für ein ‘normales’ Grenzgebiet zwischen Imperium und mönchischer Weltentsagung; auf diesem Gebiete konnte der Kai-

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ser den Asketen am Hofe empfangen, konnte der Asket dem Kaiser das Ideal eines christlichen Lebens vorhalten. Nach dem Mainzer Aufenthalt trennten sich aber ihre Wege auf immer; schon am 23. April 997 erlitt Adalbert den Märtyrertod in Preussen608, nachdem sein Volk ihm die Rückkehr verweigert hatte609; in demselben Jahre hatte Otto seine ganze Energie der Sicherung seiner Grenzen zu widmen und entstand das Programm Gerberts610. Dass dennoch das Ende seines Freundes auf Otto mächtig eingewirkt hat611, beweist der Adalbertkult, durch den der Kaiser sein Gedächtnis ehrte612; dass aber mit dem Namen des Märtyrers ebensowenig der Gedanke des Imperiums verschwand, zeigt der Zug nach Gnesen im Jahre 1000. Adalbertverehrung613 und politische Absichten614 erscheinen hier in eigentümlicher Weise vermischt.

Adalbert von Prag gehörte der extremen asketischen Richtung an, die in Italien ihr Zentrum hatte615; das verhinderte offenbar keineswegs, dass er das Machtgebiet der ‘weltlichen’ Gewalt als notwendig anerkannte. Dieses Verhältnis des Asketen zum Imperium beleuchtet eine wenig beachtete Seite der extremen italienischen Askese überhaupt. Ist ihr Verhältnis den irdischen Gütern gegenüber ohne weiteres als ‘weltfeindlich’ zu bezeichnen? Ist die ‘Hofaskese’ Adalberts eine Ausnahme, ein Kompromiss gewesen, oder wurde sie durch die Grundbegriffe der asketischen Führer, wie Nilus und Romuald, wesentlich bestimmt? Bevor wir unsere Aufmerksamkeit den asketischen Bussübungen Ottos III. in Italien zuwenden, ist diese Frage noch zu erörtern.

Die italienische Askese des zehnten Jahrhunderts616 wurde geboren als eine Reaktion auf den tiefen kulturellen Verfall, der nach der karolingischen Periode in diesen Gegenden eintrat617. Im Gegensatz zu den Bestrebungen der Cluniacenser und ebenfalls zu der schroffen Askese der lothringischen Reformbewegung618 werden die Anfänge der italienischen Reformation durch einen anarchistischen, anachoretischen Zug gekennzeichnet. Nicht die erneute, aber wenig erschwerte Benediktiner-Disziplin Clunys, welche im Einverständnis mit den ‘weltlichen’ Autoritäten betrieben wurde und zu einer

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förmlichen Grosspolitik Anlass gab, sondern nur ein zügelloses, in den härtesten Bussübungen sich offenbarendes Sündenbewusstsein beherrschte das Auftreten des armenischen Einsiedlers Symeon und des hl. Dominicus von Foligno; wenn auch von ihnen berichtet wird, dass sie Klöster gegründet haben, so ist doch ihre Tätigkeit völlig individualistischer Natur und nicht mit bestimmten coenobitischen Bestrebungen verbunden. In der nämlichen Zeit wohnte in Unteritalien der ehrwürdige Nilus von Rossano, ein Grieche, dessen asketisches Leben die Vita. S. Nili619 überliefert hat; sogar von den hohen Funktionären des griechischen Gebietes wurde er geehrt620. 981, als die Sarazenen Calabrien eroberten, zog er nach Capua und lebte mit seinen Genossen in dem Kloster S. Michael nach der strengen Regel des hl. Basilius621; später siedelte er nach Gaeta über, wo seine Begegnung mit Otto III. stattfand. Seinem Einfluss verdankte auch Adalbert von Prag die grosse Entscheidung seines Lebens622. Mit ihm befreundet war ebenfalls der Abt Leo Von S. Bonifacius und Alexius, dem römischen Kloster, wo Adalbert eine Zeit verbrachte623. Hier kreuzten sich griechische und römische Strömungen; die Mönche lebten teils nach der Regel des Basilius, teils nach der Benedikts624.

In der italienischen Askese mischen sich also okzidentale mit orientalischen Elementen; es entsteht eine Art geistlicher Symbiose, in der das strenge asketische Prinzip die formalen Unterschiede überbrückt. Die zentrale Figur der Bewegung aber ist Romuald625, der Nilus an Bedeutung noch überragt. Romuald war mehr als ein grosser Asket, der in den gewaltigsten Selbstpeinigungen die kontemplative Ruhe zu erreichen suchte; er war ausserdem, wie Franke nachgewiesen hat, ein grosser Organisator. ‘Romuald hat ... zum ersten Mal im Abendland den Versuch gewagt, das bisher regellos dahinlebende Eremitentum zu organisieren und in ein organisches Verhältnis zu dem bestehenden benediktinischen Mönchtum zu bringen’626. Der Anachoret erscheint hier besonders deutlich als Typus des Herrschers, der sich nicht mit der Verneinung des Irdischen begnügt, sondern sich in einer systematischen Organisation der Verneinung (im Zusammenhang

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mit den übrigen ‘asketischen’ Sphären) eine Erweiterung der Grenzen der Einsiedelei anstrebt.

Seine Entwicklungszeit verbrachte Romuald in Südfrankreich, wo er unter dem Abt Guarin in St. Michael di Cusan wohnte627; bereits hier lebte er als Klausner, ‘non longe a monasterio’628. In Cusan studierte er u.a. die ‘Collationes Patrum’ des Johannes Cassianus629 und die vorhandenen kanonischen Regeln, welche das Eremitentum betrafen630, die ihm in der späteren italienischen Zeit als Modell für seine Reformversuche dienten. Man soll dabei nicht ausser Acht lassen, dass diese Reform sich mehr der Methode als der Basis nach von der Reform der Cluniacenser unterscheidet. Cassian z.B. kennt eine tätige und eine beschauliche Form der Askese (actualis, ethica; contemplativa, theoretica); diese verhalten sich wie Mittel und Zweck, wie Kloster und Einsiedlerleben. In der Tätigkeit Romualds in Italien offenbart sich vor allem das Streben, diese Stufen der Askese in einer Organisation festzulegen. Auf Cassian berief sich aber auch die Benediktinerregel, die das anachoretische Ideal gleichfalls als die höhere Stufe der Vervollkommnung hinstellte631. Es liegt demnach kein Gegensatz der Anschauungen, sondern eine erhebliche Differenz der praktischen Methoden vor. Indem Benedikt die Einsiedelei nur für einige Auserwählte reservieren wollte, betrachtete Romuald das Eremitentum als das wesentliche Ziel für die Mönche überhaupt; indem also das Ideal von Cluny sich leicht mit der ‘Welt’ abfand, weil es die extreme Askese nicht als sittliche Richtschnur für alle predigte, konnte die Reform Romualds, nicht ihrer asketischen Tendenz, sondern ihrer besonderen Konsequenzen wegen, mit der ‘weltlichen’ Gewalt in Konflikt geraten632. Übrigens aber stimmen Benedikt und Romuald in ihren Ansichten über das asketische Ideal gänzlich überein; der Unterschied zwischen Cluniacensern und Romualdinern bezieht sich nicht auf die Askese als solche, sondern auf den sittlichen, und folglich sozialen, Wert des Klosters und der Anachoretenzelle. Auch Romuald verband ja die von ihm gegründete Kolonie mit einem Kloster; nur war dabei die Zellengemeinschaft der Eremiten Hauptsache, das Kloster Vorstufe; die coenobitische Organi-

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sation sollte auf die Einzelaskese der Eremiten übertragen werden633. Romuald ist in seiner Reformtätigkeit das Gegenteil des romantischen Klausnertypus; in seinen Plänen war System. Wenn auch die Verwirklichung dieser Pläne mit den Tendenzen der ‘weltlichen’ und mönchischen Askese unvereinbar gewesen wäre, so zeigt doch seine Stellungnahme zum Kloster, als Zentrum seiner Kolonien, dass er für die Schwäche der Menschen ein richtiges Verständnis hatte; auch er war weit davon entfernt, die Zwischenstufen zu verschmähen. Infolgedessen sind Beziehungen zwischen den Anhängern der kluniacensischen Reformpartei und den Romualdinern wiederholt nachzuweisen634. Odilo von Cluny befand sich seit 998 häufig in der Umgebung Ottos und Gregors; seinen Einfluss verbürgen die Urkunden635. Die Versammlung, die am 4. April 1001 in Classe tagte636, gibt von diesen Beziehungen die merkwürdige Illustration. Nicht mit Unrecht sagt Sackur, dass es den Eindruck macht, ‘als wenn sich die Elite der reformatorischen Kreise Norditaliens hier ein Stelldichein gegeben hätte’637. Ausser Otto und Silvester findet man dort Odilo von Cluny und Romuald persönlich, nebst verschiedenen Cluniacensern und Anachoreten. Die Differenz der Methoden verhinderte nicht, dass, wenn es sich um praktische Reformen handelte, wie z.B. die Bekämpfung der Simonie im Kloster Farfa, die gemeinsame Grundlage ein ausreichendes Verständigungsmittel bot638.

Auch die italienische Askese, einerseits mit orientalischen Gedanken verquickt, andererseits organisatorisch mit Cluny verwandt, ist also nicht als eine völlig weltfremde Strömung anzusehen; ihr charakteristischster Vertreter Romuald, dessen Eifer in Angelegenheiten der Individualaskese nicht bezweifelt werden kann639, trug bei seinen coenobitischen Organisationen der menschlichen Natur Rechnung. Die ganze frühmittelalterliche Gesellschaft, vom Imperator bis zum Anachoreten, wird durch das Prinzip vom relativen Werte der irdischen Güter beherrscht; und wenn der Zeitgenosse freilich die Stufen der Vervollkommnung nach dem Mass der Askese abmisst, so fehlt bei ihm doch niemals die Überzeugung, dass die Askese graduell beobachtet werden soll.

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Zwischen Kaiser und Asketen besteht also kein prinzipieller Gegensatz. Der Unterscheid betrifft nicht die Lebenstendenzen, sondern den Grad der Vervollkommnung; und dieses Verhältnis findet man in der Stellungnahme Ottos III. zu den patres spirituales zurück. Dennoch hat man diesen Zusammenhang fast immer übersehen, oder mindestens vernachlässigt und dadurch die Bussübungen des Kaisers romantisiert, obgleich schon die Tatsachen dagegen sprechen. Wir wiesen schon darauf hin, dass die Züge nach M. Gargano und Subiaco mit exakten politischen Absichten verknüpft waren, und dass uns in diesem Jahre 999 auch die für Ottos Politik so charakteristischen Diplome ‘pro restituenda re publica’ begegnen640. Der Aufschwung der asketischen Neigungen bedeutet zugleich einen Aufschwung der ‘ecclesiastischen’ Politik; es entsteht nicht eine Lücke in der Kontinuität der Politik, sondern die Askese verbindet sich, schon chronologisch, untrennbar mit der Politik, weil, wie wir nachgewiesen haben, die Askese die Verstärkung des normalen Lebens, die Verschärfung der überall vorhandenen Tendenzen bildet. So war es in Mainz, als Otto und Adalbert am kaiserlichen Hofe über die Aufgaben des irdischen Daseins diskutierten; so ist es auch später in Italien. Der Kaiser sucht die Vervollkommnung des Gottesreiches auf Erden und in der eigenen Seele, in der Politik und in der Askese zugleich.

Die Bussfahrt nach dem Michaelskloster auf M. Gargano wird mit Recht dem Sündenbewusstsein Ottos zugeschrieben641. Eine Angst, die im Mittelalter so oft zur Askese führte, eine Angst, die, vom Anlass abgesehen, durch den Charakter des mittelalterlichen Imperiums verständlich wird, trieb den Kaiser in die Einsamkeit; stets mit den Angelegenheiten der ‘Welt’ beschäftigt, ist der Imperator ja fortwährend den teuflischen Verlockungen ausgesetzt. Die Härte der Bestrafung der beiden Gegner, Crescentius und Philagathos, wurde Otto von Romuald und Nilus als ein Verstoss gegen die Pflicht des frommen Herrschers angerechnet642, der gesühnt werden musste. Nilus aber, den Otto auf dem Rückweg besuchte, war durch die Bussfahrt nicht befriedigt. Als der Kaiser die Wohnstätten der Mönche seiner Ansiedlung sah, sprach er nach der

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Vita S. Nili: Ἰδοὺ αἱ σϰηναἰ τοῦ Ἰσραὴλ ἐν ἐρήμῳ. ἰδοὺ οἱ πολίται τῆς οὐρανῶν βασιλείας ...643. Der alte Eremit lehnte aber alle Schenkungen ab, und prophezeite seinem Gast den Tod, worauf Otto sich vor ihm demütigte644.

Im Sommer 999 weilte Otto mit Franco von Worms645 in Subiaco; ‘induti ciliciis, pedibus penitus denudatis646, quandam speluncam iuxta sancti Clementi ecclesiam647 clam cunctis intraverunt, ibique in orationibus et ieiuniis necnon in vigiliis quatuordecim dies latuerunt. Ferunt quidam visionibus et allocutionibus divinis eos crebro hoc loco fuisse consolatos’648. Auch dieses asketische Intermezzo zeigt, class die Selbstzüchtigung nicht mit dem pseudocyprianischen Königsideal im Widerstreit stand, sondern es nur nach einer Seite verschärfte; das Sündenbewusstsein trieb den Kaiser zu einer möglichst konsequenten Abwehr der ‘weltlichen’ Verführungen, gerade weil er in dieser ‘Welt’ leben musste. Daraus lässt sich also gar nicht schliessen, dass er ‘der Welt entsagen’ wollte; er ‘entsagte’ der ‘Welt’ nur, soweit diese Welt, als irdischer Selbstzweck, sein Gewissen bedrängte.

Vermutlich datieren die Beziehungen zwischen Otto und Romuald vom Jan. oder Febr. 998, als der Kaiser auf seinem Feldzug gegen Crescentius in Ravenna war649. Damals lebte der Einsiedler in seiner Kolonie auf der Insel Pereum650, einer ‘Anachoretenmusterschule der Romualdiner’651. Wahrscheinlich im Oktober oder November desselben Jahres652 bat Otto ihn die Abtswürde in S. Apollinare antreten zu wollen, nachdem er ihm schon früher seine Sünden gebeichtet653 und den Busszug nach M. Gargano unternommen hatte. Als der Kaiser darauf bestand gab Romuald nach. Seine Strenge verursachte aber bald Unzufriedenheit unter den Mönchen, sodass er bereits im Dez. 999 seinen Stab Otto vor die Füsse warf654 und sich nach M. Cassino zurückzog655.

Nach dem Zug nach Gnesen findet man Romuald wieder in der Umgebung Ottos; sein Einfluss stieg fortwährend656. Jan. 1001 erscheint er als Vermittler in Tivoli657, dann zieht er mit Otto nach der Empörung in Rom wieder nach dem Norden. Die asketische Tendenz am Hofe erreicht in diesem Jahre ihren Höhepunkt; in S. Apollinare führte der Kaiser das Le-

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ben eines Eremiten, wenn er auch die Zeichen des Imperiums beibehielt. ‘Ubi ieiuniis et psalmodiae, prout valebat, intentus, cilicio ad carnem indutus aurata desuper purpura tegebatur. Lecto etiam fulgentibus palliis strato, ipse in storia de papiris compacta tenera delicati corporis membra terebat. Promisit itaque beato Romualdo, quod imperium relinquens, monachicum susciperet habitum658.

Zwei Tatsachen scheinen hier einander zu widersprechen. Erstens bleibt Otto, nach den Angaben des Petrus Damiani, auch während seiner Bussübungen Imperator, ist er eben der Fürst, der im Bewusstsein seiner Macht sich peinigt; und diese Kombination von Imperium und Askese stimmt völlig zu den ungefähr gleichzeitig in DO III 389 verkündigten Auffassungen über die Weltherrschaft Roms659. Zweitens aber verspricht Otto Romuald, er werde dem Imperium entsagen und die Mönchskutte annehmen. Während sonst die ‘Hofaskese’ als Begleitsymptom der kaiserlichen Politik erscheint und als solche nur eine Verschärfung des ‘depressiven’ Königsideals bedeutet, neigt Otto sich hier auf einmal entschieden zum Mönchtum. Dass er sein Wort nicht gehalten hat, liegt auf der Hand; vergeblich forderte Romuald später die Einlösung des Versprechens. ‘At ille facturum se quidem quod exigebatur asseruit, si tamen prius Romam, quae sibi rebellabat, impeteret et ea devicta Ravennam cum victoria remearet. Cui Romualdus: “Si Romam” inquit “ieris, Ravennam ulterius non videbis’660.

Wie auch aus den Nachrichten Bruns hervorgeht661, betrachten die Zeitgenossen das Mönchsgelübde einer mächtigen ‘weltlichen’ Person wie Ottos III. nicht einfach als den konsequenten Abschluss eines asketischen Lebens, sondern vielmehr als den Anfang eines neuen Lebens. Dass ein Kaiser sich der Askese befleissigt, ist eine normale Begleiterscheinung, dass er zum Mönchtum übertritt, ist eine Sühne für das Leben in der Welt überhaupt, Man hat das Versprechen Ottos als ein Symptom des konsequenten romualdinischen Denkens anzusehen, das ja das Ideal der Askese ausserhalb der ‘Welt’, im Gegensatz zu Cluny, als allgemeines Postulat des geistigen Lebens propagierte. Man kann nicht genügend be-

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tonen, dass ein Übertritt des Kaisers zum Mönchtum nicht eine Konsequenz der Askese überhaupt, sondern eine ganz besondere Konsequenz nur der romualdinischen Askese bedeutet haben würde. Nicht zwischen Cäsarismus und Askese, wie Giesebrecht suggeriert hat, sondern zwischen ‘cäsaristischer Askese’ und ‘mönchischer Askese’ liegt für den mittelalterlichen Menschen die Grenze!662.

Auch Romuald hat, wie er bei seiner coenobitischen Organisation des Anachoretentums auf die Stufen der Vervollkommnung Rücksicht nahm, Ottos Übergang zum Mönchtum (und sicherlich später zum höheren Grade der Einsiedelei) nicht als die für ein ‘asketisches’ Leben unbedingt notwendige Forderung betrachtet; das beweist schon seine Teilnahme an dem Königsgericht vom 4. April 1001663. Zweifellos hat er das Gelübde als eine Strafe aufgefasst, die den Busszug nach M. Gargano, gleichfalls von ihm mit veranlasst664, ergänzen sollte665. Aus dem Urteil Bruns von Querfurt wissen wir, wie man in den Kreisen der Romualdiner über Ottos römische Politik dachte; ‘ipsa Roma ... a Deo datum apostolorum domicilium erat’666. Damit hängt die scharfe Replik Romualds, die sonst unverständlich bleibt, zusammen: ‘Si Romam ieris, Ravennam ulterius non videbis’. Die römische Politik ist, auch nach Romuald, die grosse Sünde Ottos, die nur in der ravennatischen Einsamkeit gebüsst werden kann; und jeder Versuch, von neuem von der Apostelstadt Besitz zu ergreifen, sogar wenn sie rebelliert, wird als eine Äusserung der ‘superbia’ abgewiesen.

Als ‘mönchisch’ kann man die asketischen Neigungen Ottos III. also gewiss nicht bezeichnen; in allen Stadien seines kurzen Lebens, sogar unter dem Einfluss des grossen Romuald, bleibt seine Selbstkasteiung Nebenerscheinung bei seiner Politik; und das einzige Mal, dass er, durch ein Übermass des Schuldbewusstseins bedrängt, der ‘Welt’ entsagen wollte, kam er seinem Versprechen nicht nach. Vielleicht ist das schon der beste Beleg dafür, dass nicht die Askese, sondern lediglich die Form der Askese für das frühe Mittelalter ein Problem war.

In der Einleitung dieses Buches haben wir bereits auseinan-

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dergesetzt, wie wir den Begriffsbestimmungen ‘Individualität’ und ‘Kollektivität’ gegenüberstehen. Zu einem undogmatischen Verständnis für das Individuelle kann man nur gelangen, wenn man die Grenzen des Kollektiven, des nicht weiter in persönliche Differenzen Zerlegbaren angegeben, ‘übersetzt’ hat. Es lag hier also ein Problem des Begriffes, nicht der Tatsachen vor. Die begriffliche Ordnung des Tatsachenmaterials, das Verhältnis zwischen dem Geschehenen und der Sinngebung, der Kausalzusammenhang von geistigen und stofflichen Prozessen sind in den verschiedenen Zeiten verschieden; ebensosehr sind die Normen, die Durchschnittswertungen einer Gesellschaft, einer Kategorie, verschieden, unterliegen folglich auch die Handlungen der Individuen in den verschiedenen Kulturperioden verschiedenen Kriterien. Die Möglichkeit der Abgrenzung einer Persönlichkeit ist also in hohem Grade davon abhängig, wieweit das Auge des späteren Menschen unter den von ihm begrifflich übersetzten Symbolen des Kollektiven in einer vergangenen Periode noch die Konflikte und Reaktionen der Individuen zu entziffern imstande ist.

Dass von einer ‘Biographie’ in modernem Sinne über Otto III. niemals die Rede sein kann, liegt auf der Hand. Die moderne Biographie, die ein Porträt geben will, verfügt über eine Menge individueller Einzelheiten, welche hier fehlen oder nur mit Mühe aus einem psychologisch andersartigen Idiom übersetzt werden können. Eines der Resultate der vorstehenden Untersuchung war sogar, dass dem Individuellen in den Handlungen und Plänen Ottos ein viel unbedeutenderer Platz zukommt, als man angenommen hat; weder seine römische Politik, noch seine asketische Auffassung vom Imperium unterscheiden sich ihrem Gehalt nach von den Anschauungen der Zeitgenossen. Allerdings fehlt eine Opposition keineswegs; diese Opposition aber richtet sich gegen die praktische Interpretierung der Hauptideen, nicht gegen diese selbst. Die Grundgedanken: die Wiederherstellung der Ecclesia Dei einerseits, die ‘asketische’ Beschaffenheit des Imperiums andererseits, sind kollektive Normen des Denkens667.

Auch die Ideen der Gruppen zeichnen sich noch deutlich ab.

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Über die praktische Gestaltung der Ecclesia auf Erden besteht keine Einstimmigkeit, weil eben hier das politische Ideal und die soziale Notwendigkeit sich kreuzen. So sieht man z.B., dass auch die französischen Könige ihre Politik auf Grund des Ecclesiagedankens mit dem Ideal der justitia und mit eschatologischen Elementen verbinden668; das Regnum wird von den verschiedenen Gruppen selbstverständlich als Programmpunkt verwendet und nach den praktischen Bedürfnissen interpretiert. Der Kreis um Otto III. betrachtet als die höchste ‘weltliche’ Macht das universale Imperium, als die Ecclesia ein in den Schriften Gerberts und Leos von Vercelli umschriebenes Reich, das die Lehnsstaaten umfasst und in Rom sein Zentrum hat; im Zusammenhang damit begrüsst diese Gruppe Otto als den Friedenskaiser. Die Opposition kann die römische Politik nicht billigen, sei es, dass sie, wie Thietmar, Provinzialbeschwerden hegt, sei es, dass sie, wie Brun von Querfurt, die Autorität des heiligen Petrus beleidigt glaubt: sie sieht die Zeit Ottos III. als eine aetas ferrea an. Ebenso lassen sich die Auffassungen über den asketischen Gehalt des Imperiums unterscheiden. Gegenüber der Normalanschauung, dass die kaiserliche Würde eine gewisse Enthaltsamkeit fordert, verlangt die Gruppe der Romualdiner in bestimmten Fällen den Übertritt des Kaisers zum Mönchtum, zur ausserweltlichen Askese.

Was bleibt schliesslich für die Persönlichkeit Ottos übrig?

Wir haben schon dargelegt, dass man mit der Annahme einer Unfähigkeit des frühmittelalterlichen Denkens zur Persönlichkeitsschilderung (Lamprecht) nicht auskommt669; auch der mittelalterliche Mensch gibt eine persönliche Charakteristik, wie sich in Einzelfällen unbestreitbar herausgestellt hat670. Seine Charakteristik aber ist selbstverständlich durch die kollektiven Normen seiner Zeit bedingt; wenn er demnach das Individuelle angeben will, gibt er Variationen aus diesen Normen, nicht aus den unsrigen, und das erschwert die Transposition des Urteils erheblich. Das oben S. 521 ff. angeführte Beispiel, die Kritik Bruns von Querfurt in der Vita Quinque Fratrum, zeigt klar, dass man diesem Umstand Rechnung zu tragen hat.

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Ein besonderer Nachteil in diesem speziellen Fall ist ausserdem das Fehlen einer zeitgenössischen Biographie, in der das Leben des Kaisers nach mittelalterlichen Anschauungen als Einheit zusammengefasst wird. Infolgedessen ist das verfügbare Material zu gering, um mit Erfolg eine detaillierte Rekonstruktion der Persönlichkeit Ottos III. wagen zu können; der Methode Giesebrechts ist doch wegen ihrer allzu leichtfertigen Analogien nicht länger beizupflichten. Namentlich der persönliche Anteil Ottos an der politischen Aktivität des römischen Hofes ist schwerlich festzustellen; man weiss nicht genau, wieweit er nur passives Symbol der Pläne Gerberts und Leos von Vercelli gewesen ist, wieweit er selbst eine aktive Rolle gespielt hat; dass die Urkunden ihn die Regierungshandlungen verrichten lassen, dass die Quellen ihn für sein Regiment verantwortlich machen, beweist nur, dass man das Imperium nicht vom Imperator lösen konnte.

Wenn dagegen die Neigung zur schroffen Askese eine etwas deutlichere Sprache redet, so soll man auch hier vorsichtig verfahren. Zwei Umstände müssen hier in Erwägung gezogen werden. Erstens ist der asketische Ausgangspunkt ein allgemeines gesellschaftliches Ideal, und das praktische Ausleben dieses Ideals wird nicht, wie in der modernen Gesellschaft, durch soziale Konventionen gebändigt; zweitens ist infolgedessen der Zeitgenosse geneigt, die strenge Ausübung der Askese zu verklären und zu übertreiben. Diese Wechselwirkung zwischen dem kollektiven Ideal und der individuellen Lebensgestaltung ist sehr wichtig, weil daraus erhellt, dass das Pathologische im historischen, konkreten Sinne nicht einfach mit dem Pathologischen im psychiatrischen, abstrakten Sinne zusammenfällt. Isoliert man den ‘Fall’ Ottos III. aus den Bedingungen seiner Zeit, so bleibt zweifellos eine interessante Geisteskrankheit übrig; die ‘visiones et allocutiones divinae’671 sind leicht als Halluzinationen zu erklären. Eine solche Isolierung nimmt aber keine Rücksicht auf den historischen Zusammenhang eines Zeitalters, das nicht von Halluzinationen, sondern von göttlichen Anreden spricht! Ohne Ausnahme preisen die Quellen die Askese des Kaisers, und der rücksichtslose Märtyrer Brun von Querfurt nimmt ihm sogar übel, dass

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er nicht zum Mönchtum übergetreten ist. Das frühe Mittelalter erkennt in allen sozialen Schichten das Ideal der Askese, und das besonders in seiner körperlichen Form, als Ideal an; und das bringt mit sich, dass einerseits die asketische Veranlagung der Individuen sich schrankenlos ausleben kann, andererseits die Gesellschaft die asketischen Erscheinungen schützt und fördert, weil sie den Normen der ‘depressiven’ Gesellschaftslehre entgegenkommen. Wenn man die Bussübungen Ottos als pathologisch bezeichnet, so qualifiziert man die Anschauungen einer ganzen Kulturperiode als pathologisch und gibt damit ein Werturteil zu Gunsten der eigenen Kriterien ab, wozu der Historiker nicht berechtigt ist. ‘Pathologische Zeitanschauungen’ ist im historischen Sinne ein nichtssagender Ausdruck: erst bei einem Vergleich mit anderen Zeitanschauungen, der also nicht den Organismus des Zeitalters selbst untersucht, sondern eine kulturphilosophische Wertung der Zeitalter untereinander beabsichtigt, kann das Wort ‘Pathologie’ seine Rechte wieder geltend machen.

 

Es ist nicht unsere Aufgabe, den ‘Fall’ Ottos III. zu isolieren und klinisch zu zergliedern; wir deuten nur darauf hin, dass durch diese abstrakte Methode nicht nur Otto III., sondern auch seine Zeit getroffen werden muss, falls man die soziale Wechselwirkung nicht übersehen will. Versucht man aber eine Beurteilung dieser Persönlichkeit in rein historischem Sinne, so kommen als sichere Kriterien eigentlich nur in Betracht seine Jugend, seine physische Konstitution und seine ausgesprochene Neigung zur schroffen Individualaskese, die beiden ersten Faktoren als allgemeine biologische Voraussetzungen, der letzte als einziger quellenmässig hinreichend verbürgter individueller Charakterzug; denn ob man Nachrichten wie diese, dass Otto sich an einen halbrunden Tisch gesetzt habe672 und sich schon vor seinem Römerzug lange nach Italien sehnte673, als charakteristisch für seine Persönlichkeit betrachten soll, ist mindestens äusserst zweifelhaft674. Auch den Äusserungen des jungen Kaisers in der Briefsammlung Gerberts675 darf man keinen grossen persönlichen Gehalt in engster Bedeutung beimessen, weil sie sorgfältig stilisiert wurden und

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hauptsächlich nur verraten, dass am Hofe ein Hang nach griechischer Bildung Sitte war.

Einen festen Anhaltspunkt bietet aber die Jugend Ottos, weil wir die Entwicklungsperioden des Lebens, als biologische Voraussetzung, unter allen Denkformen als identisch ansehen dürfen. Otto hatte, als er 1002 starb, das Pubertätsalter kaum überschritten. Wir sahen bereits, dass auch die Quellen die Jugend eines Königs als einen ungünstigen Faktor betrachten676; sie erwähnen häufig seine kindlichen Fehler677. Nach Beginn der Selbständigkeitsperiode erscheint freilich der König als die regierende Person, aber doch zweifellos manchmal bloss formal; denn die geistige Reife des Mannes hat Otto z.B. in dem wichtigen Jahr 997 sicherlich noch gefehlt. In dieser Hinsicht können wir die Darstellung Giesebrechts beibehalten. Dieser konnte mit Recht aus der Jugend des Kaisers schliessen, dass er sich nicht zu einer wahren Selbständigkeit emporzuarbeiten vermochte, von Einflüssen abhängig blieb. Die Politik Ottos III. ist die Politik eines Kreises, in dem Gerbert und Leo von Vercelli die grosse Rolle spielten. Wir können höchstens aus der griechischen Erziehung Ottos678 ableiten, dass er selbst den Ideen dieser Männer nahe gestanden hat. Genauer sein persönliches Verhältnis zur ‘ecclesiastischen’ Byzanzpolitik anzugeben, wird wohl nicht möglich sein; aber so unrichtig es war, diese Politik seiner Phantasie zuzuschreiben, so unbegründet ist es, ihm jeden Anteil an dem Renovationsgedanken abzusprechen679.

Wir wissen weiter, dass Ottos Gesundheit schwach war. Dem italienischen Klima war er nicht gewachsen680. Dass er eine besonders zähe Natur war, ist also nicht wahrscheinlich; auch die überlieferten Bilder zeigen eine zarte Gestalt. Kemmerich behauptet, diese Bilder zeigen mehr als einen ‘Herrschertypus’, nämlich eine gewisse ‘naturalistische’ Ähnlichkeit681; hinsichtlich des Aussehens Ottos kommt er zu dem folgenden, von uns nur unter Vorbehalt zitierten Ergebnis: ‘Der Kaiser war jung und bartlos; erst gegen das Ende seiner Regierung sprosste ihm leichter Flaum um das spitze Kinn. Sein Gesicht war länglich-oval, die Stirn von Locken bedeckt, die Nase gerade. Seine Haare waren dunkel. ... Des-

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halb können wir auch auf dunkle Augen schliessen, was bei der byzantinischen Mutter ohnehin grosse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Die Figur des jugendlichen Herrschers war wahrscheinlich, wie die seines Vaters, zierlich’682. Wenn auch diese Analyse in Einzelheiten äusserst zweifelhaft bleibt, so scheint es doch nicht gewagt, Jugend und physische Veranlagung für Ottos Impulsivität auf asketischem Gebiet mit verantwortlich zu machen. Der jugendliche Enthusiasmus des schwachen Körpers kann leicht in eine gegen den Körper selbst gerichtete Aktivität umschlagen, besonders wenn die sozialen Bedingungen eine solche Wendung erleichtern. Wir sind damit an das letzte sichere Kriterium gelangt: die Neigung Ottos zur Individualaskese. Obgleich wir wiederholt die romantische Deutung dieser Askese bei Giesebrecht u.a. abgelehnt haben, so dürfen wir doch jetzt in Erwägung ziehen, dass die Vorliebe für die strenge körperliche Selbstquälung einer persönlichen Veranlagung entsprochen haben muss. Nicht das Ideal, sondern die praktische Verwirklichung des Ideals ist persönlich. Die augustinische Lehre von dem relativen Wert der irdischen Güter ermöglichte ja verschiedene Kompromisse mit dem Lebensgenuss, weil man ebensowohl die Güter als den relativen Wert betonen konnte; das ‘depressive’ sozial-politische Ideal war meistens wenig mehr als eine theoretische Norm des Urteils. Wenn auch der Typus des wahrhaft frommen Herrschers, wie die Figur Heinrichs II. zeigt, durchaus keine Ausnahme gewesen ist, so bleibt doch die asketische Konzentration Ottos III. ein Beispiel, das nicht seinesgleichen hat. Dass Otto sogar vorübergehend an einen Übertritt zum Mönchtum gedacht haben soll, beweist, dass seine Lebensweise auch Elemente enthielt, die man als unsozial bezeichnen kann, weil doch die grosse Majorität der Untertanen den romualdinischen Konsequenzen niemals beigepflichtet hat. Dennoch ist er Mittelpunkt der grossen universalistischen Gedanken gewesen, welche in dem römischen Kreise ein politisches Programm hervorriefen; und daraus ergibt sich, dass der absolute Gegensatz von Kaiser und Einsiedler eben in dieser Persönlichkeit legendarisch geworden ist.

585Vgl. oben S. 472 f.
586l.c., S. 93.
587Mönchtum und Askese (Frankfurt a.M., 1897), S. 4.
588Persönlichkeit und Weltanschauung (Leipzig u. Berlin 1923), S. 109 ff.
589l.c., S. 121.
590Psychologie der Weltanschauungen (Berlin 1925), S. 95.
591Vgl. zu der folgenden Auseinandersetzung auch Kap. II.
592De Civ. Dei V. 24.
593Vgl. Anm. II, 42.
594Die Cluniacenser I (Halle a.S., 1892), 355.
595l.c., S. 354.
596Vgl. oben S. 442 f.
597Vgl. die Briefe passim. Dass es sich hier nur um ‘literarische oder politische Beziehungen’ gehandelt hat, wie Sackur l.c., S. 352 will, müssen wir nach unserer Untersuchung über die Briefsammlung im zweiten Kapitel ablehnen.
598Das Wort ‘Weltentsagung’ is freilich in dieser Beziehung nicht glücklich.
599Über das Leben dieses Heiligen handeln: Joh. Canaparii Vita S. Adalberti episcopi (SS. IV, S. 754 ff.), Vita Sec. auct. Brunone archiep. (SS. IV, S. 596 ff. Mon. Pol. Hist., I, S. 184 ff.), Passio S. Adalperti Martyris (SS. XV, S. 706); dazu Teuffel, Schneider und Zoepf l.c., an den Anmerk. I, 33 angeführten Stellen. Vgl. die mehrfach zitierten Schriften Voigts über Adalbert und Brun. Canaparius schrieb seine Vita noch während der Regierung Ottos; im Gegensatz zu Brun von Querfurt stellt er den Kaiser ohne Kritik als rex justus dar und schliesst sich seiner Politik an (c. 21: ‘Roma autem cum caput mundi et urbium domina sit, et vocetur, sola reges imperare facit; cumque principis sanctorum corpus suo sinu refoveat, merito principem terrarum ipsa constituere debet’. ‘ ... cum afflicto paupere exultant agmina viduarum, quia novus imperator dat iura populis, dat iura novus papa’). Dagegen schildern die beiden Viten Gregor V. als einen durch seine Jugend irregeführten Papst (Can., c. 21: ‘magnae scilicet indolis, sed, quod minus bonum, multum fervidae iuventutis’; Brun. c. 18: ‘ut erat satis bonus, quantum permisit vaga iuventus’). Vgl. dazu auch V.S. Nili, c. 90.
600Can. l.c., c, 23 ff.; Brun, V. Adalb., c. 19 ff; dazu Voigt, Adalbert, S. 103 ff.
601Brun, V. Adalb., c. 20.
602Can., l.c., c. 21; Brun, V. Adalb., c. 18; vgl. Voigt, Adalbert, S. 98.
603Nach Canaparius zog er mit Notker von Lüttich über die Alpen, nach Brun ‘cum puero imperatore’.
604Can, l.c., c. 23; Brun. V. Adalb., c. 20.
605l.c., c. 23. Die Vita Bruns, die in dem Martertod des Heiligen ihren Höhepunkt sucht, fasst die Episode am Hofe nur knapp zusammen.
606Vgl. Anm. IV, 15.
607Voigt hat dieses Verhältnis von Imperium und Askese in seiner Adalbertbiographie gleichfalls verkannt; ‘wenn Adalbert die weltflüchtige Stimmung in Otto allerdings genährt hat, so hat er doch auch andrerseits gewiss den Grösenwahn und die Weltmachtspläne bei ihm in den Hintergrund gedrängt. Viel schädlicher also als Adalbert hat zweifellos der Franzose Gerbert auf Otto eingewirkt, der mit seinem Einfluss den des slawischen Heiligen ablöste ...’ (S. 105).
608Can. l.c., c. 27 ff.; Brun, V. Adalb., c. 24 ff.; Passio, S. 706; vgl. Voigt, Adalbert, S. 149 ff.
609Can. l.c., c. 26; Brun, V. Adalb., c. 22.
610Vgl. oben S. 495 ff.
611Vgl. Thietmar IV, c. 28: ‘Imperator autem Romae certus de hac re effectus, condignas Deo supplex retulit odas, quod suis temporibus talem sibi per palmam martirii assumpsit famulum.’
612Dazu Voigt, Adalbert, S. 194 ff.
613Vgl. Thietmar IV, c. 44: ‘Postea caesar, auditis mirabilibus, quae per dilectum sibi martyrem Deus fecit Aethelbertem, orationis gratia eo pergere festinavit.’
614Vgl. unten S. 549 ff.
615Über seine Beziehungen zur italienischen Askese auch Can., l.c., c. 13 ff.; Bruno, V. Adalb., c. 12 ff.; Voigt Adalbert, S. 58.
616Vgl. dazu Sackur l.c., S. 323 ff.; W. Franke, Romuald von Camaldoli und seine Reformtätigkeit zur Zeit Ottos III. (Berlin 1913); Voigt, Brun, besonders S. 34 ff.
617Vgl. Sackur l.c., S. 314 ff.
618Dazu Sackur l.c., S. 121 ff.
619Bei Migne, Patrol. Gr. 120, 9 ff., SS. IV, S. 616 ff.
620Vgl. V.S. Nili, c. 55, 61.
621Vgl. Can., l.c., c. 15.
622Vgl. Can., l.c., ibid.
623Can., l.c., c. 14 ff.; Brun, V. Adalb., c. 13 ff.; vgl. auch Chron. Mon. Cas., c. 17.
624Brun, V. Adalb., c. 17: ‘Superioribus quatuor pius Basilius, interioribus magnus Benedictus dux sive rex erat.’
625Quellen hauptsächlich die Vita S. Romualdi des Petrus Damianus (Migne Patrol. Lat., 144; SS. IV, S. 846 ff.), und Vita V Fratrum; ausführliche Angaben bei Franke l.c., S. 3 ff.
626Franke l.c., S. 1.
627V. Rom., c. 5; vgl. Franke l.c., S. 69 ff.
628V. Rom., c. 5.
629Joh. Cassiani Collationes XXIII (ed. Petschenig, Vindobonae 1886). Vgl. Vita V. Fratr., c. 2; Franke l.c., S. 107 ff.; Voigt, Brun, S. 224, Anm. 195.
630Dazu Franke l.c., S. 144 ff.
631Reg. Ben. (ed. Wölfflin, Lipsiae 1895) 73: ‘Quisquis ergo ad patriam caelestem hanc minimam inchoationis regulam discriptam perfice adiuvante Christo; et tunc demum ad maiora quae supra commemoravimus doctrinae virtutumque culmina Deo protegente pervenies.’
632Vgl unten S. 555.
633Vgl. Franke l.c., S. 120 ff.
634Vgl. Sackur l.c., S. 346 ff.
635Vgl. DO III 273, 281. Jaffé-Loewenfeld l.c., 3895, 3896.
636DO III 396. Auch Hugo von Tuscien und Leo von Vercelli verzeichnet die Urkunde.
637l.c., S. 346.
638Beachtenswert ist in dieser Hinsicht die Geschichte des Klosters St. Bénigne in Burgund (dazu Sackur l.c., S. 348) und die Reformation von Farfa (dazu ausführlich Sackur l.c., S. 349 ff.; Hartmann l.c., S. 155 ff).
639Vgl. V. Rom., c. 4, 5, 52 u.s.w.
640Vgl. oben S. 503 ff.
641Die V.S. Nili, c. 91, fasst diesen Zug als Bussfahrt für die Misshandlung des Johannes Philagathos, die V. Rom., c. 25, als Tilgung der an Crescentius verübten Grausamkeit auf. Vgl. Leo Ost. II, c. 24.
642Vgl. Anm. II, 42.
643V.S. Nili, c. 92.
644V.S. Nili, c. 93: Εἶτα τόν στίφανον ϰλίνας ἐν ταῖς χερσὶ τοῦ ἁγίου ϰαὶ εὐλογηϑεὶς παρ᾽ αὐτοῦ σὺν πᾶσι μετ᾽ αὐτοῦ ἐπορεύετο τὴν ὁδόν.
Auch der Autor der V.S. Nili betrachtet Ottos Tod als eine Strafe des Himmels: Αλλ᾽ οὐδ᾽ οὕτως ἐξέφυγε τῶν τοῦ Θέου ϰριμάτων τὸ πέρας.
645V. Burchardi Ep. (SS. IV, S. 829 ff.), c. 3: ‘ ... tanta familiaritate et auctoritate, quamvis iuvenis esset, apud imperatorem habebatur, ut sine ipsius consilio raro aliquid statueretur’. Vgl. Ep. Adalp. Imp., c. 16.
646Vgl. auch V. Rom., c. 25, über den Zug nach M. Gargano.
647Dazu Voigt, Brun, S. 237, Anm. 233.
648V. Burch., c. 3.
649DO III 270, 271. Vgl. Franke l.c., S. 199.
650Über Pereum Vita V. Fr., c. 2 ff.; V. Rom., c. 26.
651Franke l.c., S. 197.
652Für die schwierige Chronologie Franke l.c., S. 63 ff. Die Tatsachen V. Rom., c. 22; Vita V. Fr., c. 2.
653Als Hauptsünde betrachtet die V. Rom., c. 25, Ottos Verhältnis zu der Frau des Crescentius (‘Cuius uxorem postea imperator in concubinam accepit’). Vgl. auch Vita V. Fr., c. 7.
654V. Rom., c. 23; Vita V. Fr., c. 2; dazu Franke l.c., S. 207 ff.
655Vgl. Franke l.c., S. 209 ff.
656Vgl. Vita V. Fr., c. 2; Rom., c. 26.
657Wenigstens nach Damiani; V. Bernw., c. 23, nennt nur Silvester II. und Bernward.
658V. Rom., c. 25.
659Vgl. oben S. 474 f.
660V. Rom., c. 30.
661Vita V Fr., c. 2.
662Vgl. auch das von Bernheim l.c., S. 146, herangezogene Beispiel: Gregor VII. tadelt Hugo von Cluny, weil er den Herzog von Burgund durch Bekehrung zum Mönchtum der Welt entzogen hatte
663DO III 396; vgl. oben S. 552.
664Vgl. oben S. 503.
665Auch einem Vertrauten Ottos, Tammus, legte Romuald das ‘relinquere seculum’ als Strafe auf. (V. Rom., c. 25).
666Vgl. oben S. 522.
667Wir weisen noch einmal darauf hin, dass wir den Begriff ‘kollektiv’ nur verwenden für die Symbole, die sich unserem Denken als begriffliche Grenzen des damaligen Denkens darbieten.
668Vgl. die Canones von Abbo von Fleury (Migne, Patrol. Lat. 139, 473 ff.). Auch Grund, l.c., S. 39 ff.
669Vgl. oben S. 414 ff., 438.
670Vgl. oben S. 416.
671V. Burch., c. 3. Vgl. oben S. 553.
672Thietmar IV, c. 47; vgl. oben S. 523.
673Thietmar IV, c. 27: ‘ad Italiam diu desideratus perrexit’. Freilich ist Ottos Vorliebe für Italien kein Problem (vgl. z.B. Vita V. Fr., c. 7; V. Bernw., c. 25; Gesta Ep. Cam. l.c. 114). Es ist hier aber wahrscheinlich Italien mehr als Symbol der römischen Politik gemeint; es ist ja bekannt, dass der Kaiser das Klima nicht vertrug.
674Von allen oben verwerteten Merkmalen, welche die öffentliche Persönlichkeit betreffen, sehen wir hier ab.
675Vgl. open S. 468 f.
676Vgl. Anm. III, 338.
677Z.B. Thietmar IV, c. 15 (dagegen Ep. Adalh. Imp., c. 8; vgl. Bentzinger l.c., S. 25); Vita V Fr., c. 7; V. Bernw., c. 3.
678Vgl. dazu Schramm, K.B.u.P., S. 443, Anm. 5, S. 459. Als Erzieher Ottos werden, ausser Johannes Philagathos, noch genannt ein Graf Hoico (Thietmar IV, c. 8) und Bernward von Hildesheim (V. Bernw., c. 2.).
679Für dieses rein negative Urteil, das sich auch in den neuesten Darstellungen noch findet, besteht u.E. nach den vorstehenden Bemerkungen über das Verhältnis von ‘Cäsarismus’ und ‘Askese’ kein Grund mehr.
680Vgl. ep. 216; Chron. Ven., S. 30.
681l.c., S. 65 ff.
682l.c., S. 73. Vollständigkeitshalber zitierten wir diesen problematischen Passus Kemmerichs; wir verweisen aber auf Schramm l.c. in Vortr. Bibl. Warburg.